James Bond – Casino Royal – ist, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, nicht nur der beste 007-Film, sondern überhaupt ein verdammt geniales Meisterwerk. Unser eloquenter Geheimagent wird rebootet und muss sich seinen Doppelnullstatus erst verdienen. Dafür darf er gleich zwei Menschen ins Jenseits befördern. Und so duscht unser baldiger Profikiller sein erstes Opfer ein wenig zu lange und besucht anschließend den verräterischen Sektionschef des MI6. Netter Anfang für eine vielversprechende Karriere.
Der MI6 erfährt von einer mysteriösen Geheimgesellschaft, möchte mehr über den sinisteren Verein erfahren und beauftragt Bond ein lebendiges Mitglied zum Verhör vorbeizubringen. In diesem Bond ist jedoch alles ein bisschen anders. Le Chiffre, ein besonders fieser Antagonist, besitzt im Gegenzug zu den herkömmlichen Bondbösewichten anstatt einer Piratenklappe ein blutendes Glubschauge und hat Asthma. Da wäre ich auch nicht im Zentrum meines Zens. Außerdem spielt er statt Baccara leidenschaftlich Poker, mimt die internationale Bank für zwielichtige Zeitgenossen und spekuliert mit ihrem Geld auf fallende Börsenkurse. Riskanter Job, denn sollte er sich einmal verspekulieren, würden sich seine Gläubiger wohl kaum mit einem Privatkonkurs zufriedengeben. Zum Glück scheut sich Chiffre nicht, die Kurse dezent zu beeinflussen und so engagiert er einen Bombenleger, der einen Flugzeugprototypen zerlegen soll, damit die Skyfleetaktien fallen. Sein Kontaktmann zur geheimen Organisation, ist Mr. White.
Bond observiert in Madagaskar den Bombenleger Freddy Kruger und verfolgt ihn mit seinen Bulldozer-Parkour-Fähigkeiten. Die Szene strotzt nur so vor kreativen Ideen und Details. Bond ist nicht allen seinen Widersachern überlegen und muss bei der Verfolgung immer wieder Abkürzungen oder kraftsparende Wege finden, um seinem Ziel auf den Fersen zu bleiben. Er schafft Sprünge nicht, fällt in die Tiefe, rappelt sich wieder auf und ändert stetig seine Taktik. Jede Einstellung ist sorgfältig gewählt.
Freddy schafft es in seine Botschaft, doch Bond erschießt ihn trotzdem und tötet auch noch zahlreiche andere Beamte. Er ist also nicht so zartbesaitet wie seine Vorgänger. M ist sauer, weil ihre Killermaschine den Attentäter getötet und sie um ihr vergnügliches Verhör gebracht hat. Bond nimmt das Handy von Freddy, liest das Wort Ellipsis, verfolgt den Kontakt auf die Bahamas und beschließt sich einen formidablen Urlaub zu gönnen. Ohne die Bahamas wäre es kein Bond.
Und wieder schlägt mein Detektor für Kreativität und Details weit aus. Bond ortet, dass Freddys Kontakt die SMS vor einem Club bekommen hat, checkt vor Ort die Kameras, parkt ein Auto kreativ ein, lenkt so das Personal ab, flaniert in die Sicherheitszentrale, sucht Datum und Zeit und identifiziert den Kontaktmann. Verhören war gestern, heute zählen die Technik und unser Grips. Da sich Madagaskar und die Bahamas nicht exakt in derselben Zeitzone befinden, versuchen wir die übereinstimmende Uhrzeit hier zu ignorieren.
Anstatt Ursula Andress kommt dieses Mal James Bond höchst persönlich lasziv aus dem Meer und bestellt Rum mit Soda. Igitt. Er zockt den Kontakt am Pokertisch ab und reißt mit dessem Wagen auch noch seine Gespielin auf, um kurz ein Rohr zu verlegen. Als der Kontakt jedoch einen neuen Bombenleger engagiert, vollführt Bond ein absolut neues, ihm bis dato noch vollkommen unbekanntes Manöver: Coitus Interruptus. Überhaupt schläft er in diesem Film nur mit einer einzigen Frau.
Detailalarm: Er folgt dem Kontakt nach Miami, wo der Flugzeugprototyp schon warmläuft, tötet den Hansdampf mitten in der Menge, nutzt dessen Handy um den Attentäter zu lokalisieren (kein Wunder, dass diese Dinger heutzutage mit Codes gesichert sind), nutzt für den Zugang der Sicherheitsräumlichkeiten den Code Ellipsis und verhindert den Anschlag. Der Regisseur scheint verstanden zu haben, dass bei guter Action nicht immer die halbe Stadt explodieren muss, sondern die Spannung durch die Handlung und die Konsequenzen erzeugt wird.
Für Chiffre ist das jetzt jedoch semioptimal, da er ja auf die fallenden Kurse gesetzt hat. Nun schuldet er seinen Gläubigern geschmeidige einhundert Millionen Dollar und so veranstaltet er kurzerhand in Montenegro ein kleines, feines Pokerspiel mit etwas höheren Einsätzen. M betont erneut, dass sie Chiffre lebend haben möchte, doch als unser Held auf dem Weg die Geldschupse Vesper kennenlernt, hat er schon wieder alles vergessen. Sie ist gegen den Scharm unseres Helden immun und findet es eher fragwürdig, dass sie bei einem Glückspiel den Terrorismus fördern. Wäre Poker ein reines Glücksspiel, würde Chiffre wohl eine andere Möglichkeit suchen, um an die Kohle zu kommen. 1:10 ist nicht so optimal. Doch Bond lässt sich nicht beirren.
Als Hommage an die unzähligen Szenen, in denen Bond seine Identität immer wieder unfassbar kompliziert verhüllt und gleich darauf wegen eines coolen Spruchs wieder verrät, checkt hier Bond einfach unter seinem richtigen Namen im Hotel des Pokerspiels ein. Nun weiß Bond, dass Chiffre so verzweifelt ist, dass er die Veranstaltung auch nicht absagt, wenn ein MI6-Agent zugegen ist. Somit wissen wir auch, dass dieser keine Rückendeckung von seiner, noch immer vollständig unbekannten Geheimorganisation bekommt.
Für Bond steht ein Wagen mit den Unterlagen von seinem Kontakt Mathis, einer Knarre und einem Defibrillator bereit. Jedes gute Auto besaß damals ein Warndreieck, einen Zigarettenanzünder und einen ordentlichen Defi. Siehe Mission Impossible. Bond verbündet sich mit Mathis und das Spiel beginnt, bei dem er sich ordentlich einen hinter die Binde gießt. Ich spiel in solchen Fällen eigentlich nur noch Strippoker. In der ersten Pause wird Chiffre von seinen Gläubigern angegriffen, die letztendlich Bond gemeinsam mit Vesper über den Jordan schicken muss. Diese erleidet einen kleinen Zusammenbruch, weshalb er an ihren Fingern lutscht und ihre Abneigung ihm gegenüber plötzlich abnimmt. Macht Sinn.
Nun zum Spiel selbst. Obwohl Chiffre erhöht, zeigt für die Dramaturgie Bond zuerst seine Karten und verliert sein gesamtes Geld. Vesper verwehrt ihm einen Rebuy, woraufhin er vom CIA Agenten Felix Leiter gesponsort wird und endlich einen Wodka Martini bestellt. Bond wird vergiftet (Digitalis, was sonst) und wieder beginnen meine geliebten Details voller Kreativität. Er fühlt die Veränderung, blickt auf sein Martiniglas, zahlt noch schnell den Big Blind, wodurch er die größte Zeitspanne bis zum nächsten Small Blind und damit auch locker Zeit zu sterben und wiederbeleben hat, nimmt ein Glas Wasser und einen Salzstreuer, stürmt in die Toilette und trinkt das Salzwasser, um sich zu übergeben. So kommt kein weiteres Gift in seine Blutbahn. Er stolperte zum Auto, nimmt eine Blutprobe mit seinem Handy, welches diese in Sekunden analysiert, was vielleicht ein wenig übertrieben scheint und schickt die Daten zum MI6. Dieser identifiziert das Gift und leitet unsere Helden durch den Prozess. Bond erleidet einen Herzstillstand und wird von Vesper wieder ins Leben zurück defibrilliert. Er geht zum Tisch zurück und gewinnt. Pokertechnisch gibt es einige kleinere Kritikpunkte, aber die Dramaturgie gebietet´s.
Vesper wird entführt, Bond verfolgt sie, baut einen Unfall und wird ebenfalls gefangengenommen. Er weiß nun nicht, ob er von Mathis verraten wurde. Dies ist eine Hommage an „For your Eyes only“, doch wird in diesem Teil noch nicht aufgelöst. Chiffre beginnt Bonds Balls unangenehm zu massieren, was augenscheinlich eine Foltermethode ist, welche die Altersfreigabe nicht sonderlich beeinflusst. Unser Held negiert den Schmerz durch dumme Sprüche. Kurz vor seiner Zeugungsunfähigkeit kommt Mr. White und tötet Le Chiffre. Auch eine Sensation, wenn Bond den Bösewicht nicht selbst erledigen darf, der nur ein kleiner Fisch ist.
James kommt in ein Krankenhaus und lässt Mathis festnehmen, der sein Ortungsimplantat und seine Pokerstrategie verraten hat, während sich Vesper plötzlich vollkommen unnachvollziehbar in unseren Helden verliebt. Die peinliche Romanze lässt vermuten, dass hier nicht alle Birnen vollständig in den Kronleuchter geschraubt wurden. Ansonsten wäre eine Beziehung, welche auf Folter, Blut und Mord aufgebaut ist, natürlich äußerst vielversprechend.
Bond steigt beim MI6 aus, um mit der holden Maid eine Weltreise zu unternehmen. Der ein oder andere mag jetzt denken „Ende gut, alles gut“, doch das wäre ein sehr kurzes Reboot gewesen. Vesper trifft sich mit Mr. White und Konsorten und gibt ihm das Geld aus dem Pokerspiel, bis Bond verbeikommt und die Party sprengt. Plötzlich vollführt unsere kleine Vesper einen Seemanssuizid und Mr. White entkommt mit den Moneten. M informiert Bond: Sie hat ihm die ganze Romanze also nur vorgespielt, um ihren eigenen Stecher zu retten. Dies könnte sich dezent auf die zukünftigen Beziehungen unseres lieben Geheimagenten auswirken.
Alle sind tot und wieder kann niemand etwas über diese mysteriöse Geheimorganisation, erzählen. Doch nun ist Bond so richtig sauer, ortet mit Vespers Handy ihren Kontakt Mr. White, besucht ihm am Comer See, schießt ihm zur Begrüßung ins Bein und stellt sich endlich vollends vor.
Mit dem Kauf meines E-Books würdet ihr mir sehr helfen: https://www.amazon.de/dp/B0CTXP181S