Brot und Spiele – vom Dschungelcamp in das Verderben! (MCPM 005)


Nachdem sich der schüchterne Höhlenmensch aus seiner Behausung, die jeden Innenarchitekten seinen pink-camouflagen Kragen aufstellen würde, gewagt hatte, eine flotte Gesellschaft mit breiter Unterschicht gründete und die Grundbedürfnisse der Masse befriedigt hatte, erwachte ein heimtückischer Feind namens Langeweile.
Führer von winzigen bis hin zu gigantischen Völkern wollten ihre Bürger von unbequemen Ideen wie Aufstände und Regierungsstürze ablenken und mussten sich mit der Bekämpfung dieses Feindes befassen.
Zahlreiche Methoden wurden ausprobiert und als selbst spannende Rosenkränze und Steinigungen im geborgenen Familienkreis gescheitert waren, schien alles verloren, bis sich Rom zu Wort meldete und Brot und Spiele verkündete.
Während sich das Volk aus sicherer Distanz den Wamst vollstopfte, konnte es entspannt und in aller Ruhe mitansehen, wie sich seine Mitmenschen gegenseitig die Schädeln einschlugen, die Bäuche aufschlitzten und sich ihre Eingeweide am sandigen Boden verteilten.
Schon bald waren das Land und seine Arenen von grölenden Massen erfüllt, die nach Blut schrien. Unterschiedlichste Waffen, Fahrzeuge und sogar Raubtiere aus fernen Ländern erzeugten die nötige Actionatmosphäre.
Die Menschheit entwickelte sich weiter und langsam aber sicher galt die Gewalt als verpönt. Unglücklicherweise wurden im selben Atemzug die Grundbedürfnisse der Menschen derart über die Maßen befriedigt, dass die Macht der Langeweile wie Sauron um sich schlug.
Doch die Herrscher der Menschheit ersannen einen Plan. Sie erschufen Regeln und Gesetze, Gebote und soziale Richtlinien, die dem Frönen der Gewalt zur Vernichtung der allumfassenden Langeweile trotzen sollten.
Und obwohl es bei den Billiarden, die die Unterhaltungsindustrie jährlich umsetzt, so aussieht, als wäre Langeweile der größte Feind der gegenwärtigen Humanität, kann ich heute aus vollem Herzen behaupten, dass der Plan der Köpfe der Menschheit aufgegangen ist. Keiner erfreut sich heute noch am Leid eines anderen.
Wir ergötzen uns lediglich schadenfroh an hochverschuldeten Maurern, die mit Mörtel und Ziegelsteinen als Köche in ihren Restaurants versagen und schütteln die Köpfe über zusammengestürzte Kleinfamilienhäuser, deren Bauherrn schon längst in Konkurs sind, während Babys weinen.
In Reality Soaps erfreuen wir uns an Tina, die Ralf überreden konnte, Dori mit ihr zu betrügen, dann die Pille heimlich absetzte, schwanger wurde und nun überrascht feststellen musste, dass ihr Mann mit Peter fremdgeht, kurz bevor sie den hart erkämpften Titel alleinerziehende Mutter erhält.
Bei Big Brother kann der Zuschauer seinem Voyeurismus frönen, während er eine Gruppe von Gefangenen beobachtet und bei Castingshows rollen wir lachend auf dem Boden, während Eltern ihre Kinder zum sozialen Galgen ihres Lebens geleiten.
Skiabfahrten werden immerhin so gesteckt, dass mehr als die Hälfte der Fahrer unten ankommen, bei Fußball gilt „Ohne Blut kein Foul“, und Formel 1 wird erst bei einem Blechsalat so richtig schmackhaft.
Boxer werfen sich Bauschebällchen in ihre Gesichter, damit diese am nächsten Tag wie kreativer Betonpuddig aussehen, während sich ihr Intelligenzquotient der Raumtemperatur anpasst. Cagefighter hingegen definieren die Anatomie ihrer Extremitäten neu oder robben ins helle Licht.
Die beliebteste Arena der heutigen Zeit ist jedoch das Dschungelcamp! Massen an Menschen erfreuen sich an Z-Promis, die sich noch vage an ihre 15 Minuten im Rampenlicht erinnern können.
Geschickt werden Alphatiere, die sich verzweifelt in Szene setzen müssen, aufeinander gehetzt, während der Zuschauer bestimmen darf, welcher Ex-Promi sich als nächstes in kleinen Räumen voller Spinnen ein Trauma holen darf oder sich bei dem Konsum von Exkrementen mit Tierhoden übergeben muss.
Mit schwindelerregenden Zuschauerzahlen und die Konten voller Geld wäscht sich der Fernsehsender die Hände rein, denn entschieden haben schließlich einzig und allein die Mitmenschen. Daumen nach unten.
Welch herrliche Welt, denn zum Glück gehören die Arenen mit ihren brutalen Spielen der Vergangenheit an und der Mensch hat bewiesen, dass er sich nicht zur Unterhaltung am Leid der anderen erfreuen muss.
Sodann Menschheit, auf zu neuen Gefilden und Runningman lässt grüßen.

Cäsar benutze also seinerzeit Arenen und unterhielt die Massen mit Brot und Spielen. In unserer zivilisierten Welt ergötzen wir uns am Dschungelcamp und Big Brother und verehren die Menschenwürde, während Film und Fernsehen zensiert werden.
Damals kämpften Gladiatoren in Arenen, heute melden sich A–Z Promis freiwillig, die Zuschauer stimmen ab und die Fernsehsender und Politiker sind fein raus, während unsere Mitmenschen durch Schlafentzug, Stress und Angst mental gefoltert und der Einnahme von ekelerregenden Substanzen und körperlichen Schikanen physisch gequält werden.
Was denkt ihr: Wie weit hat sich die Gesellschaft seit den Arenen und Brot und Spielen entwickelt?

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