Militär – der erste Kampftag – Teil 1 (MCPM 057)

Die angehenden Soldaten befanden sich also auf der Ladefläche eines LKWs und waren unterwegs zum ersten Kampftag. Der Weg wurde noch genutzt, um den schwachen und beeinflussbaren Kammeraden die anstehenden Strapazen und Demütigungen anschaulich zu machen.
Dann endlich erreichte die Kompanie ihr Ferienquartier, eine schneeige, schlammige Hochebene auf einem Berg. Paradiesisch. Die LKWs hielten und die angehenden Soldaten wurden in aller Ruhe abgeladen. „Schneller greifen!“
Um endlich wach zu werden und damit auch kein Kleidungsstück sauber oder gar trocken blieb, mussten die jungen Rabauken durch Schlamm und Schnee krabbeln, robben, gleiten und wegen der Kälte auch bald schon nießen.
Sofort sog sich die dünne Kleidung mit dem kalten Wasser voll und bald standen individuumsbefreite Soldaten mit Schlamm und Schnee bedeckt, zitternd in Reih und Glied und bekamen K-Munition, also Übungsmunition ausgehändigt, während sie ein selbstsicherer Kommandant instruierte:
„Männer, nun ist Schluss mit lustig. Bisher war unser Verein noch ein Kindergeburtstag, doch jetzt geht es ans Eingemachte. Sie erhalten nun eine Übungsmunition, die zwar weitgehend harmlos ist, doch auf kurze Distanz starke Verbrennungen verursachen kann. Im schlimmsten Fall führt ein direkter Treffer zum Tod. Also reißen Sie sich zusammen!“
Duff-Duff, der intelligenzkreativste Soldat, bekam sofort ein gieriges Blitzen in den Augen und begann voller Wonne seine Waffe zu laden, während er interessiert die zweite Gruppe beobachtete, die schon den nächsten Befehl ausführte und sich in einem Kreis aufstellte, wobei sofort alle Soldaten unbewusst aufeinander zielten.
Mit einer Engelsgeduld erklärte Kommandant Nummer zwei: „Ihr Idioten, ein bisschen mitdenken. Wir zielen niemals auf unsere Kammeraden, auch nicht wenn wir im Kreis stehen. Zumindest nicht ohne Befehl. Da würden wir es dem Feind ja noch einfacher machen uns zu überrennen. Wir sind ohnehin nicht die Schlausten!
Im Kreis gibt es genau zwei Möglichkeiten, wie wir unser Gewehr richtig halten: Laufrichtung Boden. Das heißt, ihr zeigt mit dem langen, runden Stab am Ende eurer Waffe, aus dem die Kugeln herauskommen, Richtung Boden. Im dümmsten Fall feuert ihr eben in die Erde.“
Duff-Duffs Bruder führte den Befehl umgehend aus, senkte sein Gewehr Richtung Boden, gab aber seinem Finger über die Positionsveränderung nicht Bescheid, drückte aus Versehen ab, erschreckte sich, riss das Gewehr im Dauerfeuer herum und versengte die Uniformen seiner Kammeraden.
Sofort war ein Offizier zur Stelle und gratulierte dem Ausbilder: „Wir sind erst fünf Minuten hier und Sie haben schon mehr als die Hälfte Ihres Zugs verloren. Wenn Sie so weiter machen, dann schlagen Sie noch den Kompanierekord von Duff-Duffs Vater!“
Der erste Kommandant wollte sofort zeigen, dass seine Soldaten besser abgerichtet waren, rechnete allerdings nicht mit Duff-Duffs Intelligenz und befahl voller Stolz: „Männer, hört genau zu. Laufrichtung Horizont!“
Duff-Duff reagierte sofort, warf seine Waffe von sich und lief los. Während ihm der Kommandant verständnislos nachblickte und überlegte, was sein Spitzensoldat da machte, erklärte der Offizier: „Ich befürchte, der läuft Richtung Horizont.“
Zwei Soldaten mussten nachgeschickt werden und schon nach einer Stunde waren sie mit Duff-Duff zurück. Der Kampftag konnte also beginnen und am Anfang lernten die angehenden Krieger, wie man richtig hintereinander zu gehen hatte.
Brunos Gruppe wanderte gemütlich einen Waldweg entlang, während der Kommandant erklärte: „Wenn uns jetzt ein Feind entgegenkommt, dann müssen wir uns schnell und geordnet verstecken, damit wir nicht erkannt werden. Zu diesem Zweck brülle ich einen klaren Befehl, woraufhin ihr sofort durchzählt und anschließend nach geraden und ungeraden Zahlen hinter einen Baum springt. Damit nicht alle hinter denselben Baum springen, haben wir ja die Zahlen.“
Die Soldaten kramten also in ihrem schon etwas verstaubten Schulwissen über Zahlen und Grundrechnungsarten und begannen zu marschieren. Bald folgte der klare Befehl und die Männer begannen mit eins, zwei, drei und so weiter. Irgendwann verließ den Kommandanten die Konzentration und alle mussten wieder von vorne beginnen.
Zu seiner Verteidigung erklärte er, dass nicht immer auf eine Fünf eine Sechs folgen würde und er diese seltsame Sieben, genauso wie einige andere Soldaten, nicht kannte. Als die Neun-Mann-Gruppe dann in den zweistelligen Bereich kam, war Panik angesagt.
Der Offizier, der die Vorgänge beobachtet hatte, gratulierte dem Kommandanten und ließ seinen Stellvertreter sein Glück versuchen. Dieser kannte die Zahlen von Eins bis Elf in und auswendig und fuhr mit den Ausführungen fort:
„Wenn ich also laut brülle, ‚alle verstecken‘, dann springen jene Soldaten mit geraden Zahlen besonders leise auf die linke Seite, während alle Soldaten mit ungerade zahlen besonders lautlos Richtung Links springen. Der Feind darf euch dabei nicht hören.“
Bruno wollte schon Einspruch erheben, doch der Kommandant war von sich überzeugt und befahl „Marschieren!“ An ihm war augenscheinlich ein Schauspieler verloren gegangen, denn er tat so, als würde er den listigen Feind erspähen, zog seinen Kopf ein und brüllte aus Leibeskräften: „Durchzählen und anschließend lautlos verstecken!“
Die Minuten vergingen und zur Überraschung des Kommandanten endeten alle Soldaten lümmelnd auf der linken Seit. Er blickte verwundert in die Botanik, beschwerte sich und fragte lautstrak:

„Warum ist keiner nach rechts gesprungen? Ich habe doch eindeutig befohlen: Gerade Zahlen besonders leise nach rechts springen und verstecken, ungerade Zahlen lautlos nach rechts hüpfen und Deckung. Das Ganze noch einmal.“
Bruno schlug sich gegen die Stirn, alle begannen wieder zu marschieren und endeten diese Mal überraschend auf der rechten Seite. Fünf Versuche später tobte der Kommandant und langsam wurde jedem die Effektivität dieses detailreichen Manövers bewusst.
In den nächsten zwei Stunden teilten sich die angehenden Soldaten immer regelmäßiger auf und als es letztendlich fünf, gegen drei, gegen Duff-Duff stand, der fragend in der Mitte des Weges im Schneidersitz saß, gab der Offizier weitere Tipps.
Die Sonne hatte bereits den Zenit überschnitten und bald hatten jene Rekruten, die es bei dem komplizierten Verteidigungssystem auch tatsächlich in eine Deckung geschafft hatten, ihre Waffen auch tatsächlich auf den fiktiven, arglistigen Feind ausgerichtet. Das erste Tagesziel war bravurös gemeistert worden.

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