Hier eine These: In den 80ern und 90ern versuchten die Sitcom-Produzenten immer wieder auf Biegen und Brechen eine heile, amerikanische Familie darzustellen, die mit alltäglichen Problemen zu kämpfen hatte. Dabei wurde den amerikanischen Bürgern unterschwellig suggeriert, dass ihre Leben genau richtig wären. Hin und wieder kam es jedoch zu ungewollten Ausrutschern, die wohl aus Versehen aufzeigten, dass weder die Schreiber, noch die Schauspieler so ganz an diese heile Welt glaubten. Einzelne Gegenbewegungen zu der perfekten Familie zeigten auf, dass sich die Zeiten ändern und das Publikum nach anderem verlangte. Also begannen sich einzelne Sitcoms zu verändern und die heile Welt brach.
Ein wichtiges Genre war die perfekte, schwarze Familie, um auch diese Minderheit in den USA zu bedienen. Bei den Cosbys waren die Eltern Anwältin und Arzt, um zu zeigen, dass auch Schwarze gutbezahlte Jobs haben und eine Großfamilie ernähren können. Als sich die Zeiten änderten, wurden die Kinder immer lebensunfähiger, brachen die Schule ab und lebten teilweise unter ärmsten Verhältnissen. Bei „Alle unter einem Dach“ bekleidet der dickliche Vater immerhin den ehrenwerten Beruf des Polizisten. Das einzige herausstechende Merkmal ist der ungeschickte Nachbar Steve Urkel, der die Familie immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Mit heutigen Augen sind alle, und besonders der Vater, unglaublich gemein zu Steve, der dies später an seine Freundin weitergibt. Und beim Prinz von Bel-Air ist der Vater sogar Richter und nimmt den revoltierenden Cousin auf. Liebe Schwarzen unseres Lands, ihr könnte es zu was bringen, wenn ihr nur brav und fleißig seid.
Die weißen Familien hingegen wurden als arm dargestellt, da dies der Mehrheit der Amerikaner entsprach. Ihre Probleme resultierten aus ihrer Armut, waren aber immer bewältigbar. Roseanne verdeutlichte, dass es normal wäre, wenn man mehrere Jobs hatte, sich um die Kinder kümmerte und in ständiger Angst um seinen Arbeitsplatz leben musste. Dass die Eltern hier viel mit Sarkasmus, anstatt mit Liebe kaschieren, stört keinen. Am Ende werden sie sogar reich, dafür betrügt Dan seine Frau. Hier wird klar, auch reiche Menschen haben es nicht einfach, also erfreut euch eurer einfachen Leben. Armut ist kein Grund gegen eine perfekte, amerikanische Familie. „Wunderbare Jahre“ und „Melcom mittendrinn“ schließen hier nahtlos an, auch wenn die Familienliebe mit der Lupe gesucht werden muss. Auch die Reichen müssen vorkommen und so schafft es unsere Nanny, bei den Sheffields unterzukommen, obwohl die Serie bald nur noch von ihrer Liebe zu Max getragen wird, der sie lange zurück weist. Doch schließlich kann auch die einfache Frau einen Millionär heiraten.
Hin und wieder übertrieben sie jedoch maßlos. In „Eine starke Familie“ wird sogar Sex thematisiert. Dana fährt mit ihrem langjährigen Freund weg und schläft mit ihm in einem Zimmer. Die Mutter ruft im Hotel an und bittet, sie mögen die Tür des Zimmers ausbauen, damit die beiden nicht miteinander schlafen können. Doch die Perfektion der Amerikaner setzt sich durch und der Verstand siegt. Mit 21 Jahren ist Dana natürlich noch viel zu jung für Sex und entscheidet sich doch noch zu warten. Die Tanners lassen sich dafür von Alf tyrannisieren, ohne auch nur für einen Moment ihre perfekte Maskerade zu verlieren. „Eine schrecklich nette Familie“ zeigte auf, dass es auch anders geht, doch sogleich fühlte sich eine Hausfrau berufen, diese Serie absetzen zu lassen, da sie nicht mehr die heile Welt zeigte, die sie kannte.
Es dauerte immerhin zwei Jahrzehnte, bis diese festen Formeln aufgebrochen werden konnten und sich die Sitcom-Landschaft begann zu verändern.
Die heile amerikanische Familie – Sitcoms 80er/90er (Gefährliches Halbwissen 172)
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