Ich sitze im Bus und fahre nachhause. Endlich. Ein Sturm tobt über das Land, während Regentropfen in einem melancholischen Rhythmus gegen die Scheiben pochen. Das Wetter spiegelt mein Leben in den letzten acht Monaten. Ein Auf und ein langes Ab. Endlich habe ich es geschafft und sie verlassen. Jetzt möchte ich nur noch nach Hause.
Ich habe ihre Mutter nur aus den Medien gekannt und wollte sie schon immer einmal besuchen, doch dann war alles ganz anders. Sie hat mich genährt, das muss ich zugeben, aber akzeptiert hat sie mich nie. Inzwischen verabscheue ich Mamuschka und ihr Kind. Ich habe mir fest vorgenommen, beide nie wieder zu sehen.
Es ist verrückt, doch ein kleiner Teil in mir scheint unsere Beziehung zu vermissen. Es war eine Achterbahnfahrt. Die letzten acht Monate waren kalt und der Hunger war mein ständiger Begleiter. Doch nie war ein Feuer wärmer, noch schmeckte ein Bissen besser. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, selbst in meinen Träumen. Eigentlich waren wir nie getrennt. Vielleicht in den Momenten, als ich an meine Heimat dachte. Doch den Alltag und meine Träume beherrschte sie ganz und gar.
Wir haben lange Spaziergänge unternommen. Immer waren wir wo anders. Ich habe viel Natur gesehen und Sehenswürdigkeiten kennengelernt, die nun in Trümmer und Staub zerfallen sind. So wie unsere Beziehung. Es waren die längsten acht Monate meine Lebens und ich werde nie einen Moment davon vergessen.
Ich versuche mich durch die pochenden Tropfen an meinem Fenster in eine Lethargie zu versetzen, doch die Erinnerungen an die vergangene Zeit fluten meinen Verstand. Ein Feuerwerk aus Explosionen, Licht und Lärm, welches einfach nicht enden wollte. Die Angst war mein ständiger Begleiter, Angst, dass es bald vorbei sein würde. Natürlich gab es auch schöne Momente. Die tiefe Freundschaft, die wenigen Augenblicke der unbekümmerten Stille, wenn wir einfach nur schweigend dalagen und die Hoffnung. Doch die dunklen Stunden überwogen bei Weitem. Die angespannte Ruhe vor dem Sturm und der zehrende Kampf, bis meine Muskeln brannten. Die Gewalt war unser ständiger Begleiter und Schmerz beinahe alltäglich. Sex gab es nur ein einziges Mal und ich möchte mich nie wieder daran erinnern. Dennoch werden mich die wenigen Sekunden für immer verfolgen. Ich schäme mich dafür. Ich wusste nicht, dass mir ein einziger Erguss so wichtig sein kann, dass ich alles andere darum vergesse. Es war sicherlich die Atmosphäre, die meine Sinne getrübt hat. Es war nur ein Moment des Kontrollverlusts, doch zuhause würden sie es Vergewaltigung mit anschließendem Mord nennen. Sie würden mich ächten. Ich werde nicht als Held zurückkehren, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Ich werde still und leise nach Hause kommen und mein altes Leben unbemerkt wieder aufnehmen. Meine Tränen passen sich dem Rhythmus des Regens an. Ob mir ihre Eltern je vergeben können? Ich wage es nicht, sie je wieder zu kontaktieren. Niemand darf auch nur das Geringste von den letzten acht Monaten erfahren.
Auch ich habe viel geblutet und meine Narben werden für immer bleiben. Ich blicke ein letztes Mal zu Mütterchen Russland zurück. Ich habe viele ihrer Söhne getötet und eine ihrer Töchter geschändet. Ich habe mit dem Krieg für immer schlussgemacht. Jetzt will ich nur noch nach Hause und bis zu meinem Ende mit meiner Scham im Schatten leben. Ob die Eltern des Mädchens je darüber hinwegkommen werden?
Endlich schlussgemacht (Kurzgeschichte)
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