Als Bruno die Reifeprüfung mit Erfolg bestanden hatte, kam der liebevoll geschriebene Einrückbefehl ins Haus geflattert. Bruno entnahm diesem Schreiben wichtige Informationen wie, „Nehmen sie eine Zahnbürste mit“, jedoch keinen Hinweis, wann er das nächste Mal die Kaserne verlassen dürfte.
Zu diesem Zeitpunkt wusste Bruno noch nicht, dass er seine Eltern und seine Freundin für die nächsten zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen würde. Schnell lernte er, dass ein Soldat kein soziales Leben außerhalb der Kaserne besitzen darf.
Bruno trat also seinen Weg als Soldat an. Mit freudigem Geschrei und dem andauernden Wiederholen der gleichen Befehle, begrüßten die Ausbilder die fröhlichen, lachenden Jungmänner, während Bruno erneut sein selektives Gehör aktivierte.
Nachdem er modisch topmoderne Kleidung ausgefasst hatte, die sehr naturverbunden designet war und schon von unzähligen Soldaten vor ihm eingeschwitzt wurde, bemerkte unser neuer Soldat, dass der Tagesablauf beim Militär streng geheim war.
Die Jungmänner verbrachten den ersten Tag mit spannenden Aktivitäten, die sich wie eine Shoppingtour mit Freundin anfühlte. Bruno hielt einfach die Hände auf, während man ihm Unmengen an Gegenständen auflud, die er bis spät in die Nacht sortieren durfte. Und irgendwann wurde den Soldaten sogar gestattet zu schlafen.
Bruno schloss die Augen, um kurz darauf sanft durch lautes Geschrei um sechs Uhr morgens geweckt zu werden und musste augenblicklich aufstehen, um hoch motiviert eine Stunde zu warten, in der er zwar nichts zu tun hatte, aber auch nicht schlafen durfte.
Dann machte sich das Zimmer geschlossen zum Speisesaal auf, wo ein herzhaft duftendes Frühstück auf die neuen Soldaten wartete. Bei Brot ist es wie bei gutem Wein: Je älter, desto besser. In der Gelatine waren vereinzelte Fruchtstückchen – oder Gummibärchen – auszumachen und das vom Kellner empfohlene Wasser von der hauseigenen Quelle passte perfekt.
Nach dieser, wahrscheinlich gewollten, Schwächung des menschlichen Körpers und einem flauen Magen, stellte sich Bruno mit seinen Kammeraden im Viereck auf und lauschte den Anweisungen seiner Vorgesetzten.
Schnell hegte er den Verdacht, dass die zahlreichen Kommandanten ihre Befehle nur deswegen so laut in der Gegend herumschrien und immer und immer wieder wiederholten, damit sie diese auch ja nicht selbst vergessen konnten.
Der restliche Tag glich einer Modenschau einer Umzugsfirma. Bruno zog sich an, aus und um und präsentierte seine Uniform wie die neue Sommerkollektion, wobei ein kritischer Unteroffizier, dessen Hobby wohl Design war, immer wieder Verbesserungsvorschläge zum Besten gab.
Der Rucksack wurde gepackt, entpackt und umgepackt, der Schrank wurde eingeräumt, ausgeräumt und umgeräumt und als alle Soldaten, mehr durch Zufall, grüne Karottenhosen anhatten, kam dem Kommandanten wohl die zündende Idee, dass eine modische Umzugsfirma auch ein bisschen Kondition benötigen könnte.
Bruno joggte also los und lernte die zwölf wichtigen Übungen, die jeder männliche Staatsbürger täglich absolvieren sollte. Hier wurde der Körper noch auf die alte Weise gestählt, denn das Militär ließ sich nicht durch verweichlichte Erkenntnisse der modernen Sportmedizin verwirren.
Zu Mittag gab es Fett, durchzogen mit Kalbfleisch und am Abend Leder mit Plastik. Nach einer entspannenden Dusche mit neun anderen Männern wurden die frischen Soldaten gegen zwölf Uhr ins Bett geschickt.
Natürlich musste ein so aufregender Tag noch nachbesprochen werden, bis alle zehn Jungmänner friedlich einschliefen und begannen gemütlich um die Wette zu schnarchen. „Tagwache!“ Sechs Uhr morgens. Ein neuer Tag in der Kaserne.
Und als Bruno nach grob geschätzten zwei Stunden Schlaf gegen zehn Uhr, während des 16-Stunden-Erste-Hilfe-Kurses einschlief, begann er langsam an der Strategie dieses Vereins zu zweifeln.
Vom Rekruten zum General. Das Militär hätte die Möglichkeit seine männlichen Bürger ein letztes Mal auf das soziale und demokratische Leben im eigenen Land vorzubereiten und erzieht stattdessen die zukünftigen Väter mit geistlosem Geschreie und Wiederholungen.
Einige Menschen finden beim Militär sicherlich ihre Berufung, doch allgemein gilt: Wenn man eine Kaserne betritt, sollte man seine Intelligenz und Selbstständigkeit bei der Wache abgeben. Zumindest meine Vorgesetzten waren mehr als Geisteskreativ.
Was sind eure Erfahrungen mit der Einberufung?
4 Kommentare zu die Einberufung (MCPM 022)