Schadet Gewalt in Computerspielen unserer Psyche? (MCPM 049)


Die menschliche Psyche stürzt uns in finstere Abgründe und neben Bienchen, Blümchen und Pferdchen wollen wir eben auch Stress, Horror, Unterdrückung, Vergewaltigung und selbst Gewaltverherrlichung. Oder?
Quatsch. Menschen wollen doch nicht vergewaltigt werden! Sie sollen sich nicht fürchten, wollen keinen Liebeskummer und schon gar nicht gequält werden. Sind da schon wieder diese unliebsamen Videospieler am Werk?
All diese negativen Emotionen und Situationen überall in der Unterhaltungsindustrie und in der Kunst. Was ist denn da eigentlich los. Ist dem Menschen langweilig, wenn nicht gerade Krieg herrscht oder wir uns zumindest ein wenig mit unseren Nachbarn streiten können? Warum beschäftigen wir uns in unserer Freizeit mit Liebeskummer, Schmerz und Tod?
Ich meine, es würde doch nie im Leben ein normaler Mensch Bambi ansehen, beim Tod der Mutter weinen und anschließend mit König der Löwen weitermachen, oder? Und doch tun das sogar unsere Kinder. Aber warum?

emotionale Differenzierung
Menschen brauchen eine Reflexionsebene. Das menschliche Gehirn ist, auch wenn man das bei einigen Mitmenschen nicht vermuten würde, tatsächlich in der Lage Emotionen anhand diverser Faktoren wie Ursprung und wahrscheinliche Konsequenzen zu bewerten.
Um sich jetzt nicht im Internet und in Bibliotheken durch unzählige Texte arbeiten zu müssen, nennen wir das einfach emotionale Differenzierung und überlegen uns hier spontan einige Feldbeispiele:
Menschen lesen die Ilias und erfahren dabei, wie die Griechen die Dörfer um Troja überfielen, die Einwohner vergewaltigten und abschlachteten. Und obwohl es sich hier um ein zeitloses Meisterwerk handelt, heißt das nicht, Achtung Aufklärung, dass wir uns von Achilleus und Patraklos durchpimpern und anschließend abschlachten lassen wollen.
Menschen gruseln sich freiwillig beim Exorzisten und zucken bei der Gewalt in Saw zusammen, möchten jedoch nur in den seltensten Fällen selbst entdämonisiert oder gar gefoltert werden. Und ja, das ist auch jedem bewusst, der GTA5 gespielt hat. Der Spieler will nicht real foltern.
Wir lieben den Stress bei Brettspielen, wenn wir unsere Konkurrenten in eine Falle locken und es gerade noch vor ihnen, wohl verdient, über die Ziellinie schaffen. Den Stress vor Prüfungen, wenn auch dieselbe „Emotion“, finden wir jedoch nicht so ansprechend.
Wir lieben die Spannung in Thrillern und Geisterhäusern, wollen jedoch nicht abends alleine durch den Wald gehen und von Geistern heimgesucht werden. Und wir verfallen in Melancholie, wenn wir Musik hören, doch wollen wir uns nicht sofort alle selbst das Leben nehmen. Und nein, das war auch nicht bei der Musik von Marilyn Manson der Fall. Da braucht es noch einige andere Faktoren.
Ich lehne mich also einmal weit aus dem Fenster und behaupte, dass Kriegs- und Friedenszeiten einen maßgeblichen Einfluss auf die Kunst und die Unterhaltung und die Nachfrage nach eben diesen haben.

Krieg
Wenn ein Mensch zu einem Genre einen starken negativen Bezug hat, so kann er natürlich nur schwer differenzieren. Achtet einmal darauf, wie viel euch in der Unterhaltung zu den Themen auffällt, sobald ihr Liebeskummer habt, finanzielle Nachteile hinnehmen musstet oder ein nahestehender Mensch Krebs hat. Dann braucht man keine Reflexionsebene und dann ist das natürlich auch nicht mehr witzig.
Doch die Menschen, die zu Krieg, Gewalt, Vergewaltigung und zahlreichen negativen Themen unserer Welt „gerade“ keinen direkten übermäßig negativen Bezug haben, können die zughörigen Emotionen aus einer gewissen Distanz in aller Ruhe wahrnehmen, bewerten und sogar verarbeiten. Doch wenn man einen Krieg oder seine Nachwehen mitbekommen hat, dann ist ein Spiel mit Krieg und Panzern sicherlich nicht das Richtige!
Die Masse will alle Genres und Emotionen in ihrer Unterhaltung und das Individuum kann aussuchen, was es konsumieren will. Und nur weil einige Menschen Probleme mit einem Bereich haben, wird es nicht allen verboten, sonst dürften wir in der Unterhaltung und der Kunst rein gar nichts mehr. Es wird sich immer eine Gruppe auf den Schlips getreten fühlen.
In der heutigen Kunst und Unterhaltung wäre es wohl eher erwähnenswert, wenn wir einzelne Emotionen und Situationen weglassen oder verbieten würden. Das nennen wir nämlich dann Zensur.

wenn keine Differenzierung möglich
Kinder müssen diese emotionale Differenzierung der teilweise selben Emotionen erst erlernen, das nennen wir Entwicklung. Aus diesem Grund ist es ungemein wichtig, sein Kind eben keine Horror- oder Gewaltspiele zocken zu lassen, sonst:
Schlecht schlafen und emotional durcheinander. Doch auch dafür haben sich unsere cleveren Länder etwas überlegt. Wir nennen das Altersbeschränkung und an die sollten sich die lieben Eltern halten.
Aber natürlich kennen die Eltern ihre Kinder viel besser als allgemein gültige Zahlenaufkleber auf Verpackungen. Wenn nicht, solltet ihr das ändern. Das eine Kind darf also schon ein Jahr früher an den verbotenen Speck ran, während die andere Maus lieber noch ein Jahr auf den Käse warten sollte.
Wenn ihr jedoch bemerkt, dass Menschen in eurer Umgebung oder ihr selbst nicht in der Lage seid Emotionen zu differenzieren, euch nach Büchern, Filmen oder Spielen über längere Zeit so fühlt, als wäre euch gerade etwas widerfahren und ihr könnt nicht abschalten, dann müsst ihr euch diese Situation eingestehen und Hilfe kontaktieren. Das ist bei Gott keine Schande. Jeder hat irgendwo Redebedarf und sein Päckchen zu tragen.

der Belohnungseffekt
Ein Indiz für die Wahrnehmung ist der Belohnungseffekt. Auch wenn dieser Effekt in Spielen oft wichtig ist, ist er natürlich weniger intensiv, sprich: Die Freude für In-Game-Erfolge wird nie so groß und nachhaltig sein, als für Erfolge in der Realität.
Einen Führerschein habe ich, hoffentlich, mein Leben lang, eine Fortbildung für meinen Charakter nur, bis ich das Spiel beendet habe. Mein erstes Auto und mein erster Job werden sich ein bisschen mehr auf mein Leben auswirken, als der zeitverlorene Protodrache in World of Warcraft. Auch wenn der wirklich verdammt selten ist.
Psychische Hygiene ist hier genau das, was die Menschen auf keinen Fall wollen! Wir brauchen eine Reflexionsebene. Menschen erfahren durch Unterhaltung und Kunst von der ganzen Bandbreite der Emotionen, der Gefühle, der Grausamkeiten und von all dem Guten. Ja, es gibt auch lustige Spiele und zwar in Massen.
Psychische Hygiene ist für mich wie Voldemort, wie „The Thing who must not be named!“ Die Idee. Wenn wir nicht mehr davon sprechen, dann verschwindet es. Na klar, und wenn ich auf die Straße laufe und die Augen ganz fest zumache, dann kann mir nichts passieren.
Menschen sollen aus der Geschichte lernen und Unterhaltung und Kunst kann uns die Bandbreite der Menschlichkeit aufzeigen. In Computerspielen werden wir sogar damit konfrontiert und müssen moralische Entscheidungen mit Konsequenzen treffen.
Dennoch werden Spieler zu Mördern, da sie ja selbst den Abzug drücken. Alles dazu im nächsten Teil!

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