Spendenjäger 2 (MCPM 058)

Langsam aber sicher bekam ich den Dreh raus, Spendenjäger zu erkennen und ihnen aus dem Weg zu gehen, als eines Tages: Ich überquere eine Brücke, auf der drei Spendenjäger lauern und beiß mir auf die Lippe, weil ich weiß, dass ich heute noch fünf weitere Male über diese Brücke muss.
Eine kleine, besonders aggressive Spendenjägerin, stellt sich mir in den Weg, aber ich gehe selbstbewusst weiter. Sie erzählt mir grauenhafte Geschichten von armen Tieren, die sie mit Namen benennt, sich diese allerdings nicht merken kann. Der schizophrene Hund Pluto, wird zur Legasthenikerkatze Minki, die sich offensichtlich für den Wellensittich Tobi hält.
Ich greife tief in meine Trickkiste und erkläre: „Sie können mir gerne die Internetseite oder einen Flyer geben und ich sehe mir die Thematik zu Hause an, doch ich unterschreibe auf keinen Fall einen Vertrag auf der Straße.“
Ich denke, sie wird verstehen, dass sie so keinen Abschluss und auch keine Provision bekommt und lässt mich in Ruhe, als plötzlich Spendenjäger Zwei hinter mir steht, mich auf mein Label an meinem Rucksack anspricht und so tut, als würden wir uns kennen. Ich bleibe höflich und ständig in Bewegung, blicke nach vorne und beiße mir zum dritten Mal auf die Lippe. Au. Die Ampel ist auf Rot.
In diesem Moment nutzen die beiden Spendenjäger ihre Chance und reden wie ein wild gewordener Wieselstamm auf Speed durcheinander auf mich ein, während er ständig mit der Hand herumwedelt um ihr zu signalisieren, dass sie gehen solle, er habe mich ja quasi schon am Haken.
Mein peripheres Blickfeld ignorierend räuspere ich mich und versuche für Aggro und den Markenfetischisten ihre Aussicht auf ein erfolgreiches Geschäft so einfach wie möglich deutlich zu machen: „Ich unterschreibe keine Verträge auf der Straße“, überlege kurz und füge noch hinzu „und ich gehe mit euch auch auf keinen Kaffee.“
Während sich Aggro und Markenfetischist noch verwirrt anblicken, wird die Ampel grün und ich nutze meine Gelegenheit. Glücklicher Weise markiert der Zebrastreifen das Ende ihres Auslaufes und ich bin frei.
Vorerst. Zweieinhalb Stunden später komme ich zurück. Markenfetischist erkennt mich schon von weitem und lauert beim Zebrastreifen auf mich. Er begleitet mich an diesem Tag noch einige Male über die Brücke und wird vom Spendenjäger zum Spendeneintreiber.
Er habe mit mir nun schon so lange gesprochen und eigentlich sind wir ja schon Freunde. Die vielen Gespräche und die intensive Freundschaft mit ihm müssten mir doch etwas wert sein und ich müsse ja nicht viel spenden – nur lange und regelmäßig.
Und als ich das sechste Mal über die Brücke gehe und ernsthaft überlege ihm meinen Markenrucksack an den Kopf zu werfen, springt mich plötzlich Aggro an und schreit: „Du asozialer Penner, spende endlich etwas.“
Und obwohl ich die Gespräche sehr schätzte und hier neue Freunde fürs Leben gefunden habe, mag es den ein oder anderen von euch verwundern, dass ich an diesem Tag dennoch keinen Vertrag auf der Straße unterschrieben habe.

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