Eine fortschrittliche, humane Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie Schwächeren und Benachteiligten ein Leben in ihren Reihen ermöglicht. Da Politik mit dem Wort Human nicht gerade verwandt ist, sind wohltätige Organisationen auf Spenden angewiesen und lassen deshalb ihre Spendenvertragsjäger auf die Menschheit los. Doch verändern die Werber unsere Gesellschaft?
Sogar unsere Großeltern besitzen heutzutage Postfächer und Fernseher, um über die Spendenmöglichkeiten informiert werden zu können und die meisten nennen ein Girokonto für Überweisungen ihr Eigen, weshalb freiwilligen Spenden nichts im Weg steht.
Doch barmherzige Zahlungen scheinen den wohltätigen Organisationen nicht auszureichen, weshalb sie ihre Bettlerarmeen in die Städte treiben, um jene zu überzeugen, denen es an selbstloser Eigeninitiative fehlt.
Die jungen, überaus kompetenten Werber suchen zielsicher ihre Opfer aus und appellieren an deren Verantwortung und Mitgefühl, selbst wenn diese bereits regelmäßig an ein gutes Dutzend wohltätige Organisationen zahlen.
Dass die Werber und Werbefirmen selbst nicht spenden und nur ihre Provisionen im Kopf haben, tut dem wohltätigen Zweck keinen Abbruch. Und so versuchen sie moralisch-kreativ die Bürger mit fragwürdigen Verträgen an freiwilligen Spenden zu binden.
Mit der Überrumpelungstaktik auf Straßen und an Haustüren wurde offensichtlich derart viel Schindluder getrieben, dass sich sogar die Europäische Union aus ihrem Winterschlaf bequemte und ein besonderes Rücktrittsrecht einräumte.
Dies ist bei einem Vertrag ohne kontrollierbare Gegenleistung, der genau genommen nur eine Seite der beiden Partner bindet und zwischen Passanten, Hydranten und Hundehäufchen abgeschlossen wurde, wirklich großzügig.
Unter dem etwas lichtkargen Stern der Effektivität bezahlt der Spender auf der Straße den ausgebeuteten Werber, die überbezahlte Werbefirma, die Organisation und schon fließt das Geld in Strömen direkt zu den Bedürftigen.
Könnte sich dies alles nun irgendwie negativ auf unsere Gesellschaft auswirken? Nennt mich Dramaqueen, aber auch wenn das dekadent klingt, möchte die Mehrheit der Menschen während einer Städtereise oder eines Einkaufsbummels nicht gerade auf verhungernde Kinder zwischen ölbeschmierten Babyrobben hingewiesen werden.
Auch der beliebte Eisbrecher „Do you speak English?“ trägt nicht gerade zur Völkerverständigung bei, wenn mir der vermeintlich hilfesuchende Tourist plötzlich einen Spendenvertrag unter die Nase hält.
Selbst die Football-Taktik, bei der sich ein Dutzend Werber ihren Opfern in den Weg stellen und der angehende Spender einhundert Yards unterschriftsfrei durchstehen muss, führt nur selten zu positiven Gefühlen dem Thema gegenüber.
Introvertierte Menschen bleiben dem Spiel gerne fern und müssen somit gut besuchte Orte meiden, während sportlich interessierte ihre Bowlingfähgikeiten überprüfen und so viele Werber als irgend möglich umlaufen.
Überraschenderweise stößt diese beeindruckende sportliche Leistung nur selten auf Verständnis. Wäre das vorherrschende Ziel der Werbefirmen Spenden mit negativen Gefühlen zu verbinden, könnte man sie guten Gewissens als Koryphäen auf ihrem Gebiet bezeichnen.
Da es in Städten nur selten vorkommt, dass sich Passanten völlig Fremden in die Bahn werfen, um ein zwangloses Schwätzchen zu halten oder Freibier verteilen, warnt uns die Konditionierung vor jedem Kontakt mit unbekannten Personen.
Doch damit nicht genug. Besonders gerissene Werber lassen sich auch von hochmodernen Haustoren nicht abhalten und lauern vor den Wohnungstüren, bis es nach Essen riecht oder das plätschernde Wasser der Dusche zu hören ist. Sogleich wird geklingelt.
Ein fähiger Werber lässt sich selbst dann nicht aus der Ruhe bringen, wenn er in eine Party platzt, Rauch aus der Küche aufsteigt und der angehende Spender splitterfasernackt, vollkommen nass vor ihm steht. „Haben Sie fünf bis zehn Minuten Zeit? Es dauert nicht lange!“
Diese Taktik wirkt sich nicht gerade unterstützend auf die Nachbarschaftshilfe aus, denn der konditionierte Bürger schaltet bei unangemeldetem Glockengeläute umgehend Licht und Herd aus und versteckt sich in der Badewanne.
Verändern nun Werber unsere Gesellschaft? So weit würde ich nicht gehen, doch sie haben sicherlich einen negativen Einfluss auf den Umgang mit fremden Menschen und auf die Hilfsbereitschaft der Bürger.
Es gibt Zeiten in denen man sich als Begünstigter seiner Verantwortung stellen muss, doch Menschen in ihren Komfortzonen zu überrumpeln schafft sicherlich nicht die besten Voraussetzungen. Der Spender sollte sich nicht abgezockt vorkommen, sondern gern geben und andere positiv beeinflussen.
Meine Lösung: Verzichtet nicht darauf zu Spenden und jenen zu helfen, die es nötig haben, aber unterschreibt keine fragwürdigen Verträge auf der Straße oder an der Haustür, sondern wendet euch direkt an die wohltätigen Organisationen und richtet einen Dauerauftrag ein.
2 Kommentare zu Verändern die Werber unsere Gesellschaft? Werbung? (MCPM 076)