2-Klassen-Justiz (MCPM 088)

Das Rechtssystem in deutschsprachigen Ländern glänzt als makelloses Vorzeigebeispiel der Gerechtigkeit. Niemand ist gegen das System immun, noch kann er sich von Schuld freikaufen. Justizia lauscht den Worten der Anwälte und richtet anschließend wertfrei und gerecht.
Anwalt Nummer 1 ist überaus preiswert oder wird sogar kostenfrei vom Gericht gestellt. Er wollte eigentlich Bademeister werden, beugte sich jedoch dem Willen seiner Eltern und steht nun den gemeinen Bürgern mit all seinem Wissen zur Verfügung.
Er nervt seinen Mandanten vor der Verhandlung nicht mit überflüssigen Besprechungen und Briefings für die Verhöre, sondern vertraut auf die Kompetenz des Angeklagten und lernt ihn spontan vor Ort kennen.
Er lässt sich vom Richter den Fall erklären und beginnt umgehend seine Zeugen zu befragen, da er ja schon so gespannt ist, was diese aussagen werden. Spontan ersinnt er eine vielversprechende Strategie den Fall vorzeitig zu beenden, um den schönen Tag noch im Schwimmbad ausklingen lassen zu können.
Anwalt Nummer 2 ist freilich zu teuer für das gemeine Volk, bietet jedoch einige kleine Vorteile. Er ist mit den meisten der Richter persönlich befreundet oder speist mindestens einmal pro Woche mit ihnen, wobei die aktuellen Fälle in Ruhe besprochen werden können.
Bei einem absehbaren, garstigen Schuldspruch verzögert er das Verfahren, bis die Zeugen ihre Aussage oder der Staat auf die Anklage vergessen haben. Die Untersuchungshaft zählt schon als Haftzeit, wo der Mandant im Hilton schmachten musste.
Gilt bei einem strafrechtlichen Prozess, dass das Gericht alles tun muss, um die Wahrheit herauszufinden, so liegt es im Zivilprozess an den jeweiligen Parteien, die Beweise zu erbringen bzw. zu die Erbringung zu finanzieren.
Ob sich diese unwichtige Tatsache wohl negativ auf den verarmten Bauern Maier auswirken könnte, wenn er gegen eine millionenschwere Supermarktkette prozessiert und das Urteil einen Präzedenzfall schaffen könnte?
Auch bei der Auswahl der Geschworenen lässt Justizia alle Wünsche offen. Menschen, die sich im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte befinden, ziehen gerne alle Register und vermeiden oft mit Leichtigkeit ihre staatsbürgerlichen Pflichten als Geschworene.
So kommt es schon einmal vor, dass sich Oma Paula, die eine Vorliebe für Wahlscheibentelefone hat, und der technikscheue Briefmarkensammler Horst wundern, welchen Garten der Hacker aufgegraben hat, um unter die Feuermauer zu kommen, wo er mehrere Millionen stehlen konnte. Justizia, du hast alles richtig gemacht.

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